Röntgenemission Xray

Röntgenemission bei der UKP-Bearbeitung

Grundlagen und gesetzliche Rahmenbedingungen

Röntgenstrahlung durch Ultrakurzpuls-Laserstrahlung

Aufgrund der kurzen Pulsdauern bei Ultrakurzpuls-Lasern werden im Fokus üblicherweise hohe Intensitäten > 1013 W/cm² erreicht. Wird bei diesen Intensitäten Material bearbeitet, kann Röntgenstrahlung entstehen. Vor dieser muss ein ausreichender Schutz gewährleistet werden. Durch die am 31. Dezember 2018 in Kraft getretene Strahlenschutzverordnung entstehen zudem diverse Verpflichtungen für den Anlagenbetreiber.

Wissenschaftliche Grundlagen

 Die Nutzung von Ultrakurzpuls-Lasern (UKP-Lasern) mit Pulsdauern <10 ps zur Materialbearbeitung bietet eine Vielzahl an Vorteilen. Einige der Vorzüge sind beispielsweise ein minimaler Wärmeeintrag, eine Präzision bei der Bearbeitung im Mikrometerbereich und die Möglichkeit transparente Materialien zu bearbeiten. Mit solchen Laserstrahlquellen sind bei entsprechender Fokussierung Bestrahlungsstärken von mehr als 1013 W/cm² auf der Werkstückoberfläche leicht zu erreichen. Bei diesen Bestrahlungsstärken entsteht während des Materialabtrags ein heißes Plasma. Im Plasma erreichen die Elektronen dabei Temperaturen von mehreren Kiloelektronenvolt (keV). Bei Interaktion dieser heißen Elektronen mit ablatiertem Material entsteht charakteristische Röntgenstrahlung (Linienemission) sowie Bremsstrahlung mit Photonenenergien bis in den keV Bereich. Ab einer Bestrahlungsstärke von circa 1013 W/cm² wird ausreichend viel Röntgenstrahlung mit Photonenenergien >5 keV emittiert, so dass sich insbesondere bei hohen Repetitionsraten eine signifikante Strahlungsdosis auf akkumulieren kann. Diese Strahlung kann potentiell schädlich für einen Anlagenbediener sein, solange kein adäquater Schutz vorgesehen ist. Photonenenergien < 5 keV sind insofern unbedenklich, da Luft für kurzwelliges Licht mit Photonenenergien bis ungefähr 5 keV nicht transparent ist und somit bereits einen ausreichenden Schutz bietet.

Die Emission von Röntgenstrahlung bei der Materialbearbeitung mit Ultrakurzpuls-Lasern ist ein Effekt, welcher bereits in den 1980ern innerhalb eines Vakuums untersucht wurde. Mit der Zunahme der verfügbaren mittleren Laserleistung von UKP-Lasern in den letzten Jahren hat dieser Effekt allerdings wieder stark an Aktualität gewonnen. Da die Röntgen-Dosisleistung linear mit der mittleren Laserleistung zusammenhängt, stellt die bei der Bearbeitung emittierte Röntgenstrahlung insbesondere bei der Nutzung hoher mittlerer Leistungen eine Gefahr da. Dementsprechend hat auch die Forschungsaktivität in diesem Bereich in den letzten Jahren wieder stark zugenommen. Ein Auszug einiger aktueller Veröffentlichungen, auf die auch hier Bezug genommen wird:
•    Behrens et al. (2018): X-ray Emission from Materials Processing Lasers
•    Legall et al. (2018): X-ray emission as a potential hazard during ultrashort pulse laser material processing
•    Legall et al. (2019): The influence of processing parameters on X-ray emission during ultra-short pulse laser machining
•    Weber et al. (2019): Expected X-ray dose rates resulting from industrial ultrafast laser applications
•    Legall et al. (2020): X-ray radiation protection aspects during ultrashort laser processing
•    Legall et al. (2021): Review of x-ray exposure and safety issues arising from ultra-short pulse laser material processing

Für detaillierte Informationen hinsichtlich der Emission von Röntgenstrahlung bei der Materialbearbeitung mit Ultrakurzpuls-Lasern wird die Lektüre der oben aufgeführten Veröffentlichungen empfohlen. Im Folgenden sind einige wesentliche Grundaussagen dieser Veröffentlichungen zusammengefasst:
  • Bei der Verwendung einer Wellenlänge von 1030 nm des UKP-Laserstrahls wird Röntgenstrahlung mit Photonenenergien bis maximal 25 keV erzeugt. Das Spektrum der Emission ist unabhängig vom bearbeiteten Material, wobei Wolfram, Stahl und Aluminium getestet wurden.
  • Die emittierte Dosisleistung ist abhängig vom bearbeiteten Material. Bei der Bearbeitung von Wolfram wird nach bisherigem Stand im Vergleich zu anderen technischen Materialien die höchste Dosisleistung emittiert. Bei der Bearbeitung von Stahl werden ähnliche Dosisleistungen gemessen, bei der Bearbeitung von Aluminium ist die gemessene Dosisleistung dagegen bereits mehr als eine Größenordnung geringer. Bis zu 3 Größenordnungen weniger Dosisleistung entsteht bei der Bearbeitung von Glas.
  • Die emittierte Dosisleistung ist abhängig vom Prozess (Abtragen, Bohren, Drehen, …) und von der gewählten Prozessstrategie. Nach aktuellem Stand des Wissens wird bei einem scannenden Abtrag (Oberflächenbearbeitung) die höchste Dosisleistung emittiert.
  • Zum Schutz vor der bei der Materialbearbeitung mit UKP-Lasern entstehenden Röntgenstrahlung eignen sich insbesondere Blei und Eisen bzw. Stahl. Bereits 2 mm Edelstahl bieten ausreichend Schutz bei Prozessen mit UKP-Lasern mit 1 kW mittlerer Laserleistung. Von der Verwendung von Aluminium oder Glas wird abgeraten. Edelstahl mit einer Dicke von 1 mm entfaltet dieselbe Schutzwirkung wie 32 mm Aluminium oder 40 mm Borosilikatglas.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Der Betrieb einer Ultrakurzpuls-Laseranlage kann in Deutschland nach §12 bzw. §17 des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) anzeige- oder genehmigungspflichtig sein oder auch keines von beidem. Dabei ändern sich die Rahmenbedingungen zur Zeit in kurzen Abständen. Wenn Sie nicht sicher sind, ob Ihr UKP-Laser aus der Anzeige- oder Genehmigungspflicht herausfällt, sollten Sie mit Ihrer örtlichen zuständigen Behörde Kontakt aufnehmen. Dabei wird Ihnen mitgeteilt, welcher Sachverhalt vorliegt und welche weiteren Schritte erforderlich sind. Sowohl im Anzeige- als auch Genehmigungsfall sind fachkundige Strahlenschutzbeauftragte und ein Sachverständigengutachten erforderlich. Die Behörde nennt Ihnen einen geeigneten Sachverständigen.

Genehmigungsantrag

Die wesentlichen Punkte des Genehmigungsantrags sind:
  • Bestellung eines Strahlenschutzbeauftragten mit bescheinigter Fachkunde
  • Erstellung eines Sicherheitsberichts
  • Nachweis der Haftpflichtversicherung für den deckungsvorsorgepflichtigen Umgang mit radioaktiven Stoffen
  • Gefährdungsbetrachtung des Herstellers
  • Prüfbericht nach Messvorschrift
  • Organisatorische Dokumente wie Liste der Materialien, Liste der tätigen Personen, …
  • Nachweis einer kontinuierlichen Dosimetrie
Insbesondere der Prüfbericht nach Messvorschrift erfordert die Prüfung des Gehäuses durch einen Sachverständigen mit dem entsprechenden Equipment. Das Ziel ist es, die Sicherheit des Schutzgehäuses zu überprüfen und somit den Anlagenbediener vor Schäden durch die bei der Bearbeitung emittierte Röntgenstrahlung zu schützen. Von Interesse sind dabei die Äquivalentdosen HP (0,07) und HP(10), welche die absorbierte Dosis in Haut und tiefer liegendem Gewebe beschreiben.

Äquivalentdosis HP(0,07) und HP(10)

In Anlage 18 der Strahlenschutzverordnung sind in Teil A: Messgrößen für äußere Strahlung definiert. Demnach sind Messgrößen für die äußere Strahlung für die Personendosis die Tiefen-Personendosis HP(10) und die Oberflächen-Personendosis HP(0,07). Die Tiefen-Personendosis HP(10) ist die Äquivalentdosis in 10 Millimeter Tiefe im Körper an der Tragestelle des für die Messung vorgesehenen Dosimeters. Organe mit hohem Wichtungsfaktor liegen im Körper eher in größeren Tiefen. In dieser Messgröße werden hauptsächlich Röntgenstrahlen mit Photonenenergien um die 30 keV erfasst. Die Oberflächen-Personendosis HP(0,07) ist die Äquivalentdosis in 0,07 Millimeter Tiefe im Körper an der Tragestelle des für die Messung vorgesehenen Dosimeters. Die Annahme dahinter ist, dass 0,07 mm die dünnste Dicke der Hornhaut ist. Im Wert HP(0,07) wird hauptsächlich Röntgenstrahlung mit Photonenenergien um die 5 keV erfasst. Bezieht man diese Dosiswerte auf die Zeit, ergeben sich die Dosisraten ḢP(0,07) und ḢP(10). Das gesetzliche Limit für nicht beruflich exponierte Personen pro Jahr ist eine akkumulierte Äquivalentdosis von HP(0,07) = 50 mSv und HP(10) = 1 mSv. Die gesetzliche Vorgabe, dass die Ortsdosisleistung 1 µSv/h nicht überschreiten soll, bezieht sich auf die Dosisrate ḢP(10). Über die Wirkung von ionisierender Strahlung auf den menschlichen Körper kann sich auf den Seiten des Bundesamts für Strahlenschutz informiert werden.

Situation bei LightPulse LASER PRECISION

Es wurde eine Schutzgehäuseprüfung der Bearbeitungsanlage von LightPulse LASER PRECISION durchgeführt. Zwei Dosimeter wurden innerhalb der Anlage nahe der Prozesszone platziert. Fünf weitere Dosimeter wurden an der Außenseite der Anlage an kritischen Stellen wie Sichtfenster, Ort des geringsten Abstands zur Prozesszone und Türfalzen angebracht. Die Messung wurde während eines Abtragprozesses durchgeführt. Beim Abtragen befindet sich das Plasma immer an der Werkstückoberseite (anders als beispielsweise beim Bohren) und die komplette Laserleistung trifft auf das Werkstück (anders als beispielsweise beim Laserdrehen bzw. der tangentialen Bearbeitung). Abtragende Prozesse sind beispielsweise die Oberflächenstrukturierung oder das Mikrogravieren. Ein Beispiel für eine Mikrogravur finden Sie bei den Applikationen unter Mikro-Fräsen. Feinste Konturen können mit dem Ultrakurzpuls-Laser mit hoher Qualität erzeugt werden. Anwendung findet die Mikrogravur beispielsweise bei der Erzeugung von Spritzguss Werkzeugen für Mikrofluidikanwendungen oder der Gravur von Stempelwerkzeugen.

Während der Bearbeitung wurde die maximal verfügbare Laserleistung umgesetzt. Die maximale Bestrahlungsstärke beträgt 4,7⋅1014 W/cm². Die Resultate für die beiden nahe an der Prozesszone platzierten Dosimeter sind in den nachstehenden Abbildungen zu sehen. Dabei wurden die akkumulierten Dosen HP(0,07) und HP(10) ausgewertet. Es zeigt sich, dass in einem Abstand von 75 mm zur Prozesszone eine signifikante Dosis HP(0,07) gemessen wurde. Nach einer Stunde Bearbeitungszeit wurden 100 mSv gemessen. Dieser Wert übersteigt den gesetzlichen Grenzwert deutlich. In einem Abstand von 200 mm sinkt die Dosis HP(0,07) allerdings bereits deutlich auf ungefähr 2 mSv ab. Ein ausreichend großer Abstand von der Prozesszone ist also auch eine Möglichkeit, die Dosisleistung deutlich zu reduzieren. Hinsichtlich der Dosis HP(10) wurde im Abstand von 200 mm keine Strahlung durch das Dosimeter gemessen,  im Abstand von 75 mm werden vom Dosimeter lediglich Werte im Bereich der Ablesegenauigkeit des Dosimeters erfasst. Im Bearbeitungsprozess wird also hauptsächlich weiche Röntgenstrahlung mit wenigen keV Photonenenergie erzeugt.

Dosisleistung bei der Laserbearbeitung als Funktion der Zeit
Akkumulierte Dosis bei der UKP-Laserbearbeitung
Das Schutzgehäuse der Anlage bei LightPulse LASER PRECISION besteht aus 2 mm Edelstahl und weist überlappende Falze an den Türöffnungen auf. Die Auswertung der Dosimeter, welche an der Außenseite der Anlage befestigt wurden, zeigte, dass alle Dosimeter stets HP(0,07) = 0 mSv und HP(10) = 0 µSv gemessen haben. Das Schutzgehäuse der bei LightPulse LASER PRECISION im Betrieb befindlichen Anlage bietet also einen ausreichenden Schutz vor der bei der Bearbeitung emittierten Röntgenstrahlung.

Mit der erfolgreichen Gehäusedurchstrahlprüfung konnte der Genehmigungsantrag für den Betrieb der Ultrakurzpuls-Laser Bearbeitungsanlage gestellt werden. Die Genehmigung wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart erteilt. LightPulse LASER PRECISION ist der erste Betrieb in Baden-Württemberg und wahrscheinlich einer der ersten in Deutschland mit der Genehmigung einer Ultrakurzpuls-Laser-Bearbeitungsmaschine nach § 12 Abs. 1 Nr.1 StrlSchG.

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